Die Hermann-Cohen-Gesellschaft
Am 7. Juni 2002 wurde am Philosophischen Seminar der Universität Zürich die „Hermann Cohen-Gesellschaft“ gegründet. Sie hat einen international zusammengesetzten Vorstand und einen wissenschaftlicher Beirat, dem Forscher u.a. aus Deutschland, Italien, Frankreich, Israel und den USA angehören. Die neue Gesellschaft will die wissenschaftliche Erschließung des Werkes von Hermann Cohen fördern sowie seine Philosophie in den Debatten der Gegenwart zur Geltung bringen.
Hermann Cohen (1842-1918) war einer der großen akademischen Philosophen Deutschlands an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert. Er lehrte an der Universität Marburg (1875-1912) sowie an der „Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums“ in Berlin (1913-1918). Als herausragender Vertreter neukantianischen Denkens sowie einer philosophisch orientierten „Wissenschaft des Judentums“ hat er wichtige Grundlagen für die theoretische und ethische Orientierung in der wissenschaftlich-technischen Zivilisation geschaffen. Schon seit der ersten Auflage seines Werkes Kants Theorie der Erfahrung (1871), durch das er berühmt wurde des Werks, hat Cohen seine Aufnahme und Verwandlung des Kantischen Erbes nie als eine nur historisch-philologische Aufgabe verstanden, sondern zugleich als eine kritische Auseinandersetzung mit den kulturellen Problemen seiner Zeit. Aus dieser Haltung ging später auch sein System der Philosophie hervor, von dessen vier geplanten Teilen er drei zu Beginn des neuen Jahrhunderts vorlegte (1902-1912). Mit der jüdischen Tradition war er schon früh durch seinen Vater und sein Studium am Breslauer „Jüdisch-theologischen Seminar“ vertraut. Auf der Basis dieses Wissens trug er in zahlreichen Schriften seine Auffassung von einer Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums vor, eines kompromisslos humanen Monotheismus, der jeden Fundamentalismus ausschließt. Weder der philosophische Zeitgeist, der dem Cohenschen Werk über viele Jahre entgegenstand, noch der Nationalsozialismus konnten dessen nachhaltige Wirkung auf Dauer unterdrücken. So unterschiedliche Denker wie Schmuel Hugo Bergman, Ernst Cassirer, Jacob Gordin, Albert Görland, Nicolai Hartmann, Heinz Heimsoeth, Jacob Klatzkin, Paul Natorp, David Neumark, José Ortega y Gasset, Franz Rosenzweig, Josef D. Soloveitchik, Wladyslaw Tatarkiewicz, Karl Vorländer, Max Wiener und andere hatten schon früh ihre Position zu wesentlichen Teilen in kritischer Auseinandersetzung mit Hermann Cohen entwickelt. Sie wurden zu wichtigen Lehrern der nachfolgenden Generationen in Europa, Israel und den USA.
In Zürich entstand 1969 mit der Gründung des „Hermann Cohen-Archivs“ durch Helmut Holzhey ein Zentrum der Cohen-Forschung. Hier wurde auch die Ausgabe der Werke des Philosophen in Angriff genommen, dessen methodisches Hauptwerk, Logik der reinen Erkenntnis, die Reihe der insgesamt 21 geplanten Bände im Jahr 1977 eröffnete. Es lag nahe, hier auch die „Hermann Cohen-Gesellschaft“ zu gründen. Gleichwohl soll die Gesellschaft nicht zentralistisch organisiert sein. Es läge – um ein Beispiel zu nennen – im Interesse des Gründerkreises, wenn sich außerhalb der Schweiz länderspezifische Sektionen der „Hermann Cohen-Gesellschaft“ konstituierten. Hierbei ist den dort jeweils ansässigen Mitgliedern des Vorstandes freie Hand gegeben.